23. Blatten - Ein traditioneller Weiler


Ortsbezeichnung: Blatten (Uf de Blatte)

 

Steckbrief Blatten

Der Weiler Blatten liegt zirka ein Kilometer Luftlinie südwestlich oberhalb Zermatt auf 1730 m ü. M. und befindet sich somit noch problemlos in der Höhe der Dauersiedlungen. Der Weiler zählt heute um die 30 Gebäude und ist eines der beliebten Wanderziele in der näheren Umgebung des Hauptdorfes. Im Dialekt nennt man den Ort „uf de Blatte“ – im und um den Ort Blatten treffen wir auf längliche, von den Gletschern glattgeschliffene Felszüge, die wie überdimensionierte Bodenplatten das Bild bestimmen und im Dialekt Blatta (Einzahl) oder eben Blatte (Mehrzahl) heissen. Hier sind diese Felsrücken so häufig und prägnant, dass die alemannischen Siedler vor über tausend Jahren das Gebiet nach ihnen benannten. Der Ortsname gab, wie das im Verlauf des Spätmittelalters generell geschah, zwei Familien den Namen: Den Aufdenblatten, einer heute noch in Zermatt ansässigen Familie, und den Blatter, einer hier ausgestorbenen Familie. Nachkomme dieser Familie war Arnold Blatter (1653–1737), Vater des Bischofs Johann Josef Blatter (1684–1752). Arnold kam noch in Zermatt zur Welt, wo er das Amt eines Meiers bekleidete. Der spätere Bischof wurde in Visp geboren.

 

Wie wir das bereits beim Blick auf den Weiler zum See erleben konnten, besticht auch Blatten durch ein intaktes Siedlungsbild. Seine heutige Ursprünglichkeit verdankt der Ort grösstenteils einer auswärtigen Familie: In der Zeit des Zweiten Weltkriegs kaufte der Arzt Wolfgang Wydler (1897–1965) aus Baden geduldig die zersplitterten Besitzanteile an Boden und Gebäuden. Die alten Wohnhäuser wie die Wirtschaftsbauten hatten mehrere Miteigentümer und befanden sich damals im Zustand fortgeschrittenen Zerfalls, der Weiler wurde selten mehr bewohnt. Schritt für Schritt liessen Wolfgang Wydler und seine Familie ihre Bauten sanieren und achteten dabei sorgsam auf die Wahrung des traditionellen Erscheinungsbildes.

 

Aus einem Gespräch mit Uta Werthemann-Wydler, das die Vorstandsmitglieder des Vereins „Alts Zermatt“ 2022 in Blatten aufzeichneten, erfahren wir mehr über die Akteure und die damaligen Zeitumstände: Ausschlaggebend für das kontinuierliche Engagement waren einerseits Begeisterung für die Natur und die Alpen – als Bergsteiger und Skifahrer kam Wydler nach Zermatt, lernte hier Bergführer und Skilehrer Go𝒩ried Perren (1891–1978) und weitere Einheimische kennen, zu denen er ein freundschaftliches Verhältnis pflegte. Weiter schwebte Wolfgang Wydler in der Zeit der Krisenjahre und des Krieges vor, seiner Frau Rita und den drei Kindern in den Bergen eine Art Zuflucht zu ermöglichen, wo man Selbstversorgung betreiben und überleben könne – ein damals verbreiteter Gedanke, der auch andernorts Familien aus der Deutschschweiz in die Berge brachte. Seit Mai 1944, als Wolfgang Wydler das erste Haus erwerben konnte, verbrachte die Familie bis in die 1950er Jahre hinein jährlich mehrere Wochen in Blatten. Seit 1945/46 führte sie für die Dauer von 10 Jahren auch eine kleine Berglandwirtschaft mit Schafen, zeitweise auch Ziegen, Schweinen und Hühnern. Dazu hatte Wolfgang Wydler landwirtschaftlichen Boden und Bauten erworben und zwei italienische Knechte erledigten die bäuerlichen Arbeiten, während Philemon Perren (1914–1992) die Winterfütterung der Haustiere besorgte. Bis heute nutzen die Nachfahren ferienhalber die Wohngebäude und sorgen für den Weiterbestand der vorbildlich erhaltenen Bausubstanz, was uns in Blatten eines der intaktesten Ortsbilder des ganzen Wallis erleben lässt.