23.4 Unteres Wohnhaus


 

Einst ein Wohnkomplex - verdichtetes Bauen im 15. Jahrhundert

Im Zentrum des Weilers stehen heute drei Wohnhäuser, in kurzer Entfernung zueinander platziert und alle mit ihrer Fensterfassade nach Westen/Südwesten der Sonne zugekehrt. Sie waren in den 1940er Jahren, als sie von Dr. Wolfgang Wydler Anteil um Anteil erworben werden konnten, in bedenklichem Zustand. Dank dem Engagement Wydlers und seiner Nachfahren wurden sie gerettet und stehen heute als Schmuckstücke vor uns.

 

Das unterste (südlichste) Wohnhaus gehörte zu je einem Drittel den Zermatter Familien Hieronymus Inderbinen, Aloys Schuler und Go𝒩ried Perren. In den 1980er Jahren realisierte die Familie Wydler eine Totalsanierung: Das morsche Gwätt (Eckverband) in der Südostecke wurde gänzlich durch ein neues ersetzt, das nötige Altholz kaufte man in Aosta. In seiner gewollten Unregelmässigkeit lässt es von Ferne an einen alten Bau denken. Der Strickverband auf der Nordseite hingegen ist original.

 

Die Fassade zeigt keinen Zierfries und die Binna keine Inschrift. Den Rundofen im untersten Wohngeschoss liess man anlässlich der Totalsanierung einbauen und die Oberfläche auffrischen.

Architektonische Merkmale als Hinweis auf das Alter finden wir einmal mehr in den Öffnungen: Ähnlich wie am Ort Fleschen sind hier drei Generationen von Fenstern zu sehen. Zusätzlich weist die Stubenwand hinter dem Rundofen einen Gesimsbalken auf, wie im Restaurant zum See – Fenster und Sims sind klare Hinweise auf das späte Mittelalter.

 

Von zehn Holzproben lieferten deren sieben ein Resultat, das unsere Annahme bestätigt: Sowohl das Erdgeschoss wie das erste Obergeschoss wurden in den frühen 1470er Jahren aus einem Guss erbaut; drei Proben enden mit Waldkante (äusserste Jahrringe) 1471 bzw. 1472.

 

Südlich an das stattliche Wohnhaus grenzt heute ein offener Mauersockel, was wie eine aktive Baustelle oder eine ältere Brandruine aussieht. Der Blick auf eine alte Aufnahme aber zeigt hier ein intaktes Gebäude: Ein gemauerter Sockel aus Natursteinen bildete das Kellergeschoss, auf ihm ruhte der Blockbau eines unter der First geteilten Hauses. Die spärliche und kleine Befensterung sowie die wilden Eckverbände tragen die Handschrift eines spätmittelalterlichen Wohnhauses. Vergleichbare Doppelwohnhäuser sind im Oberwallis aus dem 15. Jahrhundert bekannt. Zu den letzten EigentümerInnen gehörten Anna Maria Perren und ihre Kinder Sigismund Perren und Veronika Julen-Perren. Am Ort erzählt heute Veronikas Sohn Emil Julen (*1929), das alte Haus sei nach 1944 abgerissen worden. Emils Cousin Gabriel Julen habe einen Teil des noch brauchbaren Holzes mit dem Maultier nach Zermatt in ds obr Moos transportiert, wo es zum Bau eines Gädi (Wirtschaftsgebäude) diente.

 

 

Labornummern Dendrosuisse 2022: 621 354-363 vom 16. August 2022

Koordinate 2 623 029 / 1 095 131

Parzellennummer GIS 3852, Gebäudenummer 17